Ein Text mit Auszügen aus einem Interview mit Ariadne von Schirach.
Man soll sich ernst nehmen, aber nicht so wichtig. Wir sollten aufhören, unsere Körper und Egos zu optimieren, uns in Magersucht, Selbstentfremdung und Depression treiben zu lassen. Stattdessen sollen wir wieder lernen, das Leben zu genießen findet die Philosophin Ariadne von Schirach.
Was ist der Grund für unser Getriebensein, unsere innere Unruhe und dem ständigen nacheifern für Werte, die uns eigentlich gar nicht wirklich viel bedeuten? Nach Schirach ist das System schuld an unserem Unglück, nicht wir selbst. Wir interessieren uns eigentlich nicht für Geld beziehungsweise die Freiheiten, die es uns verschafft. Wir wären auch gar nicht gerne attraktiver, erfolgreicher, figurbetonter. Vielmehr werden wir auf ziemlich perfide Weise von der Gesellschaft dazu gezwungen. Ein Beispiel dazu der Werbefilm unten:
Vom Dating- bis zum Arbeitsmarkt: Der Mensch ist ein Produkt geworden. Der Mensch macht andere, ja letztlich sich selbst zum Objekt meint auch der Göttinger Neurobiologe Gerald Hüther, der sich für eine neue, tief menschliche Subjektkultur einsetzt.
Selbstoptimierung beschreibt die Arbeit am Produkt Mensch. Unsere Gesellschaft funktioniert zunehmend nach kapitalistischen Marktprinzipien. Da zählt nur noch, was verkäuflich ist.“ So entsteht ein Ungleichgewicht zwischen der Selbstoptimierung, die ich als Arbeit am Äusseren verstehe, und der Lebenskunst, der Arbeit am inneren Menschen“, meint Schirach.
Je schneller Digitalisierung und Ökonomisierung voranschreiten, desto beschleunigter und zugleich marktförmiger wird die Welt. Das Lebendige wird zum Lesbaren, Qualität zu Quantität, und Werte werden zu Preisen. Das betrifft natürlich auch den Einzelnen.
Der Begriff der ‚Ich-AG‘ umschreibt ganz gut, was es heisst, wenn der Mensch sich in ein Produkt verwandelt. In einer Zeit, in der Effizienz und Erfolg so wichtig geworden sind, wird jeder zum Unternehmer seines Selbst. Man betreibt sich wie eine Firma. Man schaut auf sein Leben wie auf eine Bilanz und versucht, den Wert des Ganzen zu steigern.
Jenseits von Burn-Out, Einsamkeit und Angst ist aber das Schlimmste an der unablässigen Selbstoptimierung dieser überall bemerkbare Verlust von Lebensfreude. Wir verlernen, uns gehen zu lassen. Die Fähigkeit, Hingabe, Lust und Rausch zu erleben und zu geniessen, kommt uns durch diese dauernde Selbstbeobachtung und -kontrolle abhanden. Doch das ist nicht alles.
Die Philosophie sagt seit Jahrtausenden, der Menschen solle sich um seine Seele kümmern. Das bedeutet, eine Beziehung zu seinem Inneren – zu seinen Gefühlen, Träumen und Werten, letztlich eine Beziehung zu seiner Einzigartigkeit und Lebendigkeit zu haben.