Bevor du dem Licht entgegenstirbst, will das Leben gelebt werden, oder wie wir mit Zuständen unser Leben erfüllter leben können
Lebst du das, was du wirklich bist oder bist du gefangen in der Endlosschleife deiner unbewussten Muster und Konditionierungen?
Eine kleine, etwas peinliche Geschichte
Bevor wir dieser Frage nachgehen, lass mich dir eine kleine Geschichte erzählen, die mir passiert ist. Ich zog am 6.12.2020 in meine Wohnung in Bern und richtete mich gemütlich ein. Ich fühlte mich von Beginn weg wohl und war zu frieden. Klar, es blieben einige Details hier und dort, die mich störten, etwa die Küchenbeleuchtung. Es baumelte dort an einer Schiene ein komischer Scheinwerfer von der Decke, der bloss einen schmalen Lichtkegel auf den Boden warf. Zumal die kleineren Lampen unter den Küchenschränken nach und nach den Geist aufgaben und die Elektriker keine Idee hatten, wie man das sinnvoll reparieren kann, war die Situation alles andere als ideal. Um die auch tagsüber vorhandene Düsternis aus der Küche zu vertreiben, schaltete meine Partnerin immer wieder dieses skurrile Spotlight an. Zumal man beim Kochen sich dem Eindruck nicht entziehen konnte, dass dieses Ding einem den Skalp wegbrennt, zog ich die Dunkelheit dem unangenehmen Lichtkegel vor. So lebten wir dahin und gewöhnten uns nach und nach an diese Situation, so wie man sich eben an manche Ärgernisse im Leben halt so gewöhnt. Es war kein grosses Ärgernis. Und doch, es war eben schon eines.
Die Lösung ist oft einfacher als gedacht
Heute nun hatte ich, bezeichnenderweise an einem beschaulichen Ruhetag, die zündende Idee: Ich müsste ja eigentlich nur den Scheinwerfer von der Schiene an der Decke abhängen und könnte dafür drei Spots vom Wohnzimmer, die nie gebraucht wurden, in die Schiene in der Küche klemmen. Gesagt getan. Diese kleine Werkeinheit dauerte kaum 10 Minuten und war ein voller Erfolg! Die Küche ist nun schön ausgeleuchtet. Ich wurde nach einer Phase der Erleichterung, des Stolzes über den gelungenen Auftritt und Freude über das neue Licht in der Küche aber immer nachdenklicher. Schliesslich realisierte ich mit Schrecken: Ich habe doch tatsächlich diese Fehlbeleuchtung ganze 1219 Tage hingenommen, dabei war die Lösung doch so lächerlich einfach und komplett kostenfrei!
Es werde Licht: Eine Metapher für das Leben
Ist es nicht so, dass es uns, öfter als gewollt, im Leben genau so ergeht? Wir harren aus, teils, weil wir uns der Ärgernisse gar nicht genügend bewusst sind, teils, weil wir nicht wissen, wie wir aus den Endlosschleifen des Lebens aussteigen können. Wie sagte Albert Einstein einst so schön:
„Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“
Das Problem liegt meist darin, dass wir gar nicht erst auf eine andere Ebene kommen. Eine Ebene, die es ermöglicht, Probleme aus der Distanz zu beobachten, uns kreativ Lösungen zu öffnen und aus einem Flow-Zustand heraus schliesslich auch Lösungen umzusetzen.
Kennst du dieses Problem? Ist diese Geschichte nicht in einem erschreckenden Ausmass eine Metapher für unser Gefangen-Sein in der Dunkelheit unserer Selbstgenügsamkeit? Risikomanagement, bestimmt durch unsere eigenen Ängste, könnte man meinen: Ja keinen Schritt aus der Komfortzone heraus, auch wenn das Leben noch so leidvoll ist.
Immer mehr Menschen werden sich des Leidens bewusster und suchen nach Auswegen. Doch wie finden wir sie?
Der Weg zum Licht führt über die Farben und die vielfältige Lebendigkeit des Lebens
Zwischen der Dunkelheit und dem Licht liegt die vielfältig bunte Welt der Farben. Bevor wir dem Licht entgegensterben, gilt es, ganz ins Leben mit all seinen Farben einzutauchen. Der Beatle-Musiker John Lennon meinte einst treffend: „Das Leben ist das was passiert, während wir dabei sind, andere Pläne zu machen.“ Oder wie es der spirituelle Lehrer Osho ausgedrückt hat: „Die Frage ist nicht, ob es ein Leben nach dem Tod gibt. Die Frage ist, ob du vor dem Tod lebendig bist.“ Aber was heisst denn ‚Leben‘ im Unterschied zum stumpfen Funktionieren und dem erschöpfenden Lauf im Hamsterrad?
Als ich vor vielen Jahren erschrocken war über die vielfältigen Muster, die mich im Leben zurückgebunden hatten, kam mir eine zündende Idee. Wie wäre es, wenn ich mir neue Optionen schaffe und die ausgefahrenen Geleise verlasse? Aber was heisst es, neue Optionen zu kreieren?
In den letzten Jahren hat der Begriff der Neurodiversität stark an Gewicht gewonnen. Immer mehr begannen Menschen sich gegen den Normierungsdruck und die inflationäre Diagnose-Angst in der Gesellschaft zu wehren. Was, wenn das Leben eine sprühende Vielfalt ist, die vielleicht den anderen nicht in den Kram passt, aber ein unverzichtbaer Teil meiner Selbst ist? Was, wenn du eigentlich ganz anders bist, als du meinst, zu sein?
In meiner Arbeit fokussierte ich immer mehr darauf, den Mensch in die Vielfalt einzuführen, nicht nur Mental, sondern mit dem ganzen Fühlen und Sein. Wo und wie gelingt uns das treffender als mit Bewegung und Musik, dachte ich mir. So begann ich, mit Menschen in Bewegung und Musik ganz unterschiedliche Qualitäten zu erleben, zu bewegen, zu fühlen und zu zeichnen. Dabei ist es frappant zu erkennen, wie unterschiedlich Qualitäten und Zustände sein können.
Die Entdeckung der Zustände
Zustände können positiv stärkend sein, oder aber auch schwächend negativ. Hier einige markante Zustände: beengend, unruhig, verkrampft (links), frei, verbunden, freudig (mitte) oder zentriert (rechts):
Das verblüffende ist, dass Zustände meist innert kürzester Zeit bewusst verändert werden können. Ich nenne das vegetative Kompetenz. Fatal ist es aber, dass wir diese Kompetenz nicht erlernt haben und kaum oder gar nicht nutzen. Die unbewussten Zustände verharren so meist erschreckend lange in uns: Wir gehen grollend durchs Leben, wütend oder wie auch immer. Und meist fühlen wir uns als Opfer dieser unbewussten Emotionen. Es zeigt sich, dass Achtsamkeit und Bewusstheit diesen Zuständen gegenüber ein wichtiger Schlüssel ist zu einer psychologischen Lebenskompetenz.
In meiner Arbeit geht es darum, Zustände bewusst zu machen und zu lernen, Zustände zu verändern, um adäquat auf innere und äussere Reize zu reagieren und unser Handlungsrepertoire zu erweitern. Im Set von Zuständen gibt es aber auch ein „Heimatfeld„, in dem wir uns besonders wohl fühlen. Diese Energie ist nicht unbedingt das , was wir leben, denn systemische Einflüsse können unser natürliches Sein verschütten. Deshalb geht es in meiner Arbeit darum, nach dem Zustand der Unbewusstheit jenseits von Prägungen und unbewussten Mustern nach dem eigentlichen Naturell zu suchen. So können wir unser eigenes Naturell und natürliches Sein finden. Ein Einstieg in diese Arbeit ist der Erfahrungstag Lebensmatrix.
Die Ordnung der inneren Zustände
In einem weiteren Entwicklungsschritt darf das Eigene erweitert werden, dürfen ungelebte Teile aktiviert und angereichert werden. Damit steigen die Handlungsoptionen und Freiheiten, adäquat und authentisch zu handeln. Dieser Prozess der Ganzwerdung ist letztlich auch ein Schritt der Menschwerdung, ein Schritt, ganz Mensch zu werden. Dabei zeigt sich, dass die innere Vielfalt kein Chaos darstellt, sondern einer geheimnisvollen Ordnung unterliegt. Die Lebensmatrix ist ein Abbild dieser inneren Seelenordnung.