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Das angebundene Selbst – ein Weg der Selbstliebe


Die meisten Menschen sind wie ein fallendes Blatt, das weht und dreht sich durch die Luft. Andere aber, wenige, sind wie Sterne, die gehen eine feste Bahn. Kein Wind erreicht sie. In sich selber haben sie ihr Gesetz und ihre Bahn.

Hermann Hesse

Wir werden als Originale geboren, sterben aber als Kopien.

Edward Young

Der Mensch ist nicht das, was er eigentlich ist. Er ist schon gar nicht das, was er eigentlich sein könnte. Eine Vielzahl von gesellschaftlichen Prägungen und traumatisierenden transgenerationalen Erlebnismustern halten uns in einer kollektiven Angsthypnose gefangen. Sie limitiert unsere Ressourcen, unser Potential und führt zu einer Selbstentfremdung, die letztlich die Wurzel von Angst, Unglück und Leid ist. Gefangen darin ist es schwierig, einen Weg der bedingungslosen Selbstachtung und Selbstliebe als Grundlage einer glückerfüllten Lebensführung für sich und andere zu gehen. Eine genauere phänomenologische Untersuchung des menschlichen Wesens gibt uns Hinweise auf Auswege aus der Sackgasse, in der das kollektive Menschsein derzeit noch steckt. 

Die Suche nach Authentizität

Jeder Mensch tut etwas, nur, wie authentisch ist das, was er tut? Was ist sein Motiv, was ist der Treiber hinter seinem Tun? Diese Frage ist nicht einfach zu beantworten und führt uns in die Charakterstruktur des Menschen. In den Geburtsstunden der empirischen, wissenschaftlich orientierten Psychologie ging Sigmund Freud davon aus, dass es neben dem Bewussten des Menschen auch unbewusste Anteile gibt, die unser Leben wesentlich mitbestimmen. Sein Schüler, Wilhelm Reich, ging beim Menschen von einer dreischichtigen Charakter-Struktur aus: „Zusammenfassend kann man über den menschlichen Charakter folgendes sagen: Er ist strukturell ein dreifach geschichtetes Lebewesen. An der Oberfläche trägt er die künstliche Maske der Selbstbeherrschung, der zwanghaft unechten Höflichkeit und der gemachten Sozialität. Damit verdeckt der die zweite Schicht darunter, das Freudsche 

Charakter-Struktur

Unbewusste, in dem Saddismus, Habgier, Lüsternheit, Neid, Perversion aller Arten etc. in Schach gehalten sind, ohne jedoch das Geringste an Kraft einzubüssen. Diese zweite Schicht ist das Kunstprodukt der sexualverneinenden Kultur und wird bewusst meist nur als innere Leere und Öde empfunden. In der dritten Schicht, dem biologischen Kern, leben und wirken die natürliche Sozialität und Sexualität, spontane Arbeitsfreude und die Liebesfähigkeit, die einzige Hoffnung, die der Mensch hat, das menschliche Elend einmal zu bezwingen.“ (siehe Film ‚Wer hat Angst vor Reich?‘ 26.10 min.)

Zum Studium des menschlichen Charakters lohnt es sich, den Film ‚Wer hat Angst vor Reich?‘ anzusehen, zumal sich auf seine Weise Reich intensiv mit der Frage der Authentizität, dem natürlichen Wesen des Menschen, auseinander gesetzt hat:

Als Illustration der Ebenen kann auch der Music-Clip von „Another Brick in the Wall“ der britischen Rockband Pink Floyd dienen. Der Film zeigt eindrücklich, wie zerrüttete, selbst tief in ihrem Wesen verletzte und „ungebundene“ Lehrer durch Entwürdigung der Schüler dazu beitragen, dass Kinder eine Mauer um sich herum als Schutz bauen und eine Maske aufsetzen. In den Träumen bricht sich dann die Wut bahn und die Welt der Unterdrücker verbrennt in der Phantasie (verdrängte Gefühle). Unausgesprochen bleibt im Film die Frage: Und wer ist Laddy (die Hauptfigur ‚Pink‘ des Films ‚The Wall‚ als Kind) wirklich? Was ist sein natürliches „gebundenes“ Wesen.

Die Bindungstheorie von John Bowlby, Mary Ainsworth und James Robertson in der Psychologie hat schon lange nachgewiesen, dass gebundene Kinder, also Kinder, die eine starke emotionale Mutter- oder Eltern-Kind-Beziehung erlebt haben, gesünder und selbstbewusster leben.  

Die US-amerikanische Psychotheapeutin Jean Liedloff machte bei einem indigenen Indio-Stamm im venezolanischen Urwald ähnliche Beobachtungen. Kinder des Yequana-Stammes standen praktisch konstant im hautengen Kontakt mit Eltern und entwickelten in diesem ‚Kontinuum‘ (Continuum Concept) besonders glückliche und gesunde Menschen. Auch der Anthropologe Bronislav Malinovsky machte ähnliche Beobachtungen mit dem melanesischen Volk der Trobriandern auf den Trobriand-Inseln in Papua-Neuguinea. Sie haben insbesondere ein sehr offenes Sexualverhalten und führen keine Kriege (siehe auch Film ‚Wer hat Angst vor Reich 30.08 min.)

Der Schweizer Psychoanalytiker Franz Renggli zeigt in seinen Studien, dass ursprüngliche Kulturen immer eine enge Mutter-Kind-Beziehung pflegen und die frühkindliche oder sogar pränatale Prägung als wichtige Entwicklungs-Phase ernst genommen wird. Erst mit der Entstehung der Hochkulturen, etwa der Sumerer, wurden Kinder und Mutter früh getrennt (vgl. Ursprung der Angst). Letztlich eine fragwürdige Entwicklung, die mit der „Industrialisierung der Geburt“ Ende des letzten Jahrtausend ihren Höhepunkt gefunden hat. 

Nicht nur gut gebundene Kinder, sogar fast alle Säuglinge funktionieren nach der Geburt nach dem Kooperationsprinzip, wie die Sozialpsychologin Kiley Hamlin experimentell bewies. 

Auch der Neurobiologe und Psychosomatiker Joachim Bauer bestätigt: Das Streben des Mensch richtet sich primär auf zwischenmenschliche Bindungen und gelingende soziale Beziehungen. Kern aller menschlichen Motivation ist es, zwischenmenschliche Anerkennung, Zuwendung oder Zuneigung zu finden und zu geben. (vgl. Prinzip Menschlichkeit, 2006)

Dieses von der Natur angelegte Prinzip der Menschlichkeit und natürlichen Gebundenheit geht aber offensichtlich in unserer Sozialisation verloren. Im Experiment von Hamlin wurde gezeigt, dass 99% der 6 Monate alten Kinder mit dem ‚Good Guy‘ spielen möchten, nach einem Jahr wählen aber bereits 20% den ‚Bad Guy‘ aus fürs Spiel! (vgl. Alphabet, 2013)

Offenbar geht uns etwas verloren auf unserem Weg zum Erwachsen-Werden. Gerda Alexander, die Entwicklerin der Eutonie-Therapie, etwa beschrieb die eindrückliche Nachahmungstendenz der Kinder bereits im vorsprachlichen Alter: Nach ihr sind Tiere und Kinder besonders empfänglich für Tonus-Übertragungen, also eine Art Imitationsverhalten was Spannungen im Körper enger Bezugspersonen betrifft . (Eutonie, 9. Aufl. 1999) Mit dem Thema der Spannungsimitation, der Charakter-Panzerung sowie der sanften Geburt als Lösung beschäftigte sich ebenfalls Eva Reich (die Tochter von Wilhelm Reich) intensiv. 

Erwachsen werden heisst für viele auch den Verlust der Menschlichkeit und Authentizität, der Verlust unseres Selbst. Rodger Hodgson besingt diese Entwicklung der Selbstentfremdung wehmütig in seinem „Logical Song“, in dem er sich in den langen Nächten fragt: „Wer bin ich, sag mir, wer ich bin…“

Ausgehend von den antropologischen und etnologischen Forschungen eines Malinowsky, einer Liedloff (siehe oben) und anderen können wir uns fragen: Wie weit ist nicht unsere gesamte Gesellschaft zu einem weitaus höheren Masse selbstentfremdet, als wir bisher annehmen konnten? Wenn ein Gerald Hüther von transgenerationalen Traumatas unserer gesamten Gesellschaft spricht, können wir die Dimension dieses unbewussten und unfreiwilligen Selbstentfremdung erahnen. Gleich einer Erbsünde würden wir dann die „Sünde“ der menschlichen Abspaltung, der Selbstentfremdung durch pränatale und frühkindliche Prägungen eingeimpft bekommen und würde mechanisch Gesellschaftsmuster weitertradieren, sozusagen ein Leben nicht aus dem Wesenskern, sondern aus Konventionen mechanisch gesteuert. Diese schauerliche Erkenntnis würde viele Fragen aufwerden, etwa auch der Demokratie-Fähigkeit des Menschen (eine Problematik, die durch Machtkonzentration und einseitige Geld-Verteilmechanismen eine gefährliche Konstellation bildet (siehe auch Vision und Geld). 

Einige gesellschaftskritische Philosophen wie Erich Fromm oder Arno Gruen haben dieses „Malaise“ durchschaut: 

Die Grundhypothese an dieser Stelle lautet:

Der Mensch wie er heute lebt, entspricht nicht seinem Design. Er ist nicht der, der er wirklich ist. Er ist, durch Generationen-lange Prägung und gesellschaftlich ausgeformte Gerhorsamkeits- und Gewohnheitsmuster eigentlich nur ein Schatten seiner selbst. 

Diese Hypothese deckt sich auf der Körper-Ebene mit dem Körperschema der Angst von Moshé Feldenkrais (Feldenkrais-Methode) oder etwa dem Stopp-Muster der Sensomotorischen Körpertherapie nach Dr. Pohl

Die Thematik einer kollektiven Angst- und Selbstentfremdungs-Hypnose kann auch physiologisch durch die Arbeit von Peter Levine und seines Ansatzes des Somatic-Experiencings dargestellt werden.

Entsprechend dem Wesenskern zeigt die untere Ebene einen entspannten Alpha-Zustand (vergleiche Gehirnwellen), ein in sich ruhender parasymathikotoner Zustand (dorsaler Rücken-Vagus). Der Parasymathikus regelt als Teil des vegetativen Nervensystems die Entspannung. Bei starken Reizen und Herausforderungen wird vom autonomen Nervensystem der Sympathikus aktiviert. Er hemmt die Verdauung, beschleunigt die Herztätigkeit und schüttet Stresshormone aus. Dieser Zustand entspricht einer körperlichen Aktivität wie Sport und geht auf die archaischen Kampf- und Fluchtreflexe zurück. Auch dieser Zustand entspricht einer positiven Bewältigung, einem Flow-Zustand. Wird der Stressreiz noch höher, entspricht dies einer Überforderung des Systems und bewirkt eine Erstarrung (Freeze), dem archaischen Totstell-Reflex oder einem fortbestehendem Trauma. Diese angstbesetzte Ebene ist wiederum Parasympatikoton gesteuert, diesmal aber vom ventralen Bauch-Vagus her, und bewirkt eine Anästhesierung, Lähmung und Dissoziation (Trennung von Psyche und Körper). Porges geht bei diesem Modell von einer Dreiteilung des vegetativen Nervensystems aus! Werden entsprechende Blockaden von Traumatas oder subtileren traumatisierenden Mustern aufgelöst, werden dabei in der Transformation auch Energie und tiefere Emotionen freigesetzt. Einiges deutet darauf hin, dass der Mensch an sich zu einem übermässigen Teil in dieser Ebene der gefrorenen Maske und des mechanischen Funktionierens gefangen ist. 

Es stellt sich hier die Frage, wie wir aus dieser Sackgasse, die letztlich für die Menschheit selbst lebensbedrohliche Ausmasse gewonnen hat, wieder heraus kommen? Die Visionsarbeit ist hier ein wichtiger Schlüssel.

Die Lebensmatrix: Ein Modell der Vielfalt

Die Frage nach der Authentizität ist letztlich nicht neu. Sie ist zentrales Element in der Lehre des US-amerikanischen Psychologen Carl Rogers, einem Mitbegründer der Humanistischen Psychologie und Entwickler der Klientenzentrierten Psychotherapie, respektive Gesprächstherapie. Zu den Grundprinzipien von Rogers gehört Achtung, Empathie und eben Kongruenz. 

Die gutgemeinte und oft tradierte Aufforderung: „Sei authentisch!“ oder „Sei kongruent!“ mutet angesichts der Tiefe der oben geschilderten Selbstentfremdungs-Problematik zynisch an. Vielmehr stellt sich die Frage: Wie können wir diesen menschlichen Sündenfall, diesen von Generation zu Generation erbsündenartig weitergereichten Zerfall dessen was eigentlich der Mensch ist, überwinden. Um diese Frage genügend tiefgreifend beantworten zu können, schauen wir detaillierter die Struktur des Menschen an.

Zunächst gilt es festzuhalten, dass der Mensch zweifach ist. Es gibt einen aussenbezogenen Menschen, den wir wahrnehmen. Wir fühlen etwa unsere Hände und spüren ihre Bewegungen, nehmen Gefühle wahr, hören unsere Stimme. All das, was unser äusseres Selbst tut, spüren wir als Teil von uns, als etwas, mit dem wir verbunden sind, weil wir etwas veranlassen und das Selbst mit seinen Gefühlen, seinen Körperbewegungen etc. darauf reagiert. Es gibt für dieses Wesen verschiedene Bezeichnungen. Ich benutze dafür den Begriff ‚Selbst‘ (das reflexiv ist).

Daneben können wir aber auch feststellen, dass, wenn wir uns selbst (unser Selbst) beobachten, es auch einen Beobachter gibt. Dieser Beobachter ist unsichtbar und trotzdem da. Ich benutze dafür den Begriff ‚Ich‘. Das Ich ist gleichsam einer Sonne in uns, die den Mond durch ihr Licht in der Nacht sichtbar macht. In der Nacht des Lebens ist die Sonne nur durch das Reflektieren des Mondes sichtbar.

Das Ich ist wie die Nabe im Rad statisch. Es ist wie ein Kino-Besucher, der im Leben den Film des Selbst schaut. Seine Qualität ist Achtsamkeit und Bewusstsein. Letztlich ist das Ich in uns aber auch die kreative Schöpferkraft, die nicht nur wahrnimmt, sondern auch wahrgibt, durch Impulse und das Richten der Aufmerksamkeit das Leben von innen nach aussen gestaltet und sich dadurch entfalten möchte. Das Ich als Bewusstseinszentrum ist in seinem Wesen neutral und selbsttranszendent, das heisst, nimmt sich selber nicht oder nur mittelbar wahr, so wie das Auge sich selber nicht wahrnehmen kann. Viktor Frankl beschreibt dies bildhaft und eindrücklich: 

Das freie Selbst bewegt sich natürlicherweise in verschiedenen Energie- oder Farb-Feldern und Qualitäten. Der Regenbogen ist für diese farbige Vielfalt in einem schwingungsmässigen Ordnungsmuster eine treffende Metapher. Mal tritt das Selbst hervor und wird aktiv, mal zieht es sich zurück, mal gestaltet es proaktiv, mal lässt es reaktiv geschehen. Das Modell der Lebensmatrix gibt hier im Spannungsfeld der farbpsychologisch relevanten Regenbogenfarben einen guten Überblick über die verschiedenartigen Ausformungen, wie sich das Selbst zeigen kann.

Farbmatrix-Modell

Das gesunde Selbst ist als andauernde dynamischer Bewegung in den Lebenskräfte-Feldern zu verstehen (unten als bewegte Schlaufen dargestellt). Wir gehen von einem offen fliessenden Modell aus, wie sie in China üblich sind, und nicht von fixierenden Kategorien wie in der westlichen Welt seit der griechsich-römischen Hochkultur üblich. Allerdings ist es in der Regel so, dass das Selbst ein Heimatfeld kennt, eine Grundenergie, mit der sich das Selbst besonders verbunden fühlt, ohne dabei die anderen Lebenskräfte-Felder auszuklammern.

Lebensmatrix mit SchwungformEine eindrückliche Film-Metapher für die Idee des ungebundenen freien Selbst ist der US-amerikanische Science-Ficition-Film Die Bestimmung-Divergent (nach einem Roman von Veronica Roth). Jeder Mensch gehört in einer ferneren Zukunft einem bestimmten Clan an, den Altruan (den Selbstlosen, Regierung und soziale Leistungen), den Ferox (den Furchtlosen, Polizei & Militär), den Ken (die Gelehrten, Wissenschaftler & EDV), den Candor (die Freimütigen, Justiz) oder den Amite (den Freundlichen und Friedfertigen, Landwirtschaft & Verwaltung). Jeder muss sich für die gesamte produktive Lebensspanne für einen Clan entscheiden, die Unentschiedenen sind die systemgefährdenden (freien) Menschen. 

Das Selbst bewegt sich nicht nur je nach Kontext und Rolle in verschiedenen Farb-Feldern und Energien, sondern taucht auch mehr in die Welt oder geistige Gefilde ein. Das bodenständige weltgebundene Selbst dringt in dunklere Felder ein (in der Lebensmatrix aussen, entspricht auch der Maske oder dem Ego, siehe oben), das geistgebunde spirituelle Selbst verbleibt im Transparenten, im hellen Licht.

Die Grundkonstellation von Ich und Selbst schlägt sich im Charakter des Menschen markant nieder. Das stämmige weltgebundene Selbst ist selbstbewusst und geprägt von einer verstärkten Selbstwahrnehmung zuungunsten einer verminderten Weltwahrnehmung. Das fragile und sensible geistgebundene Selbst ist hingegen geprägt von einer verminderten Selbstwahrnehmung und einer erhöhten Weltwahrnehmung.

Ich-Selbst

Experiment:

Halten Sie den Daumen nach oben an Ihre Nasenspitze und starren sie dabei in die Ferne. Sie sehen den Daumen (das Selbst) unscharf. Der Blick in die Welt ist praktisch unvermindert scharf. Bewegen Sie nun den Daumen langsam von der Nase Weg bis zum Punkt, wo der Fokus Ihrer Augen auf einmal automatisch den Daumen fokussieren. Hier sehen sie vor allem den Daumen, die Weltwahrnehmung ist unklar. Die erste Position entspricht dem geistgebundenen sensiblen Selbst (Hochsensibilität), die zweite Position dem robusten bodenständigen Selbst.

Es können nun verschiedene Hypothesen zur Selbstentfremdung formuliert werden:

  • Das Selbst verfestigt sich in einem Farbfeld und verliert an Flexibilität, wird rigide.
  • Das Selbst verliert den Kontakt zum Ich. Das Ich kann als schöpferische Intelligenz nicht mehr auf das Selbst gestaltend einwirken. Umgekehrt kann das Ich nicht mehr vom Selbst lernen (Abschottung des Ich)
  • Eine zunehmende Selbstentfremdung schlägt sich auch in einem starken körperlich-emotionalen Charakterpanzer nieder. 
  • Des entfremdete Selbst ist nicht mehr intrinsisch, sondern extrinsisch gesteuert, ist manipulierbar und schwach, psychisch labil. 

Das angebundene Selbst

Entsprechend können Leitregeln für das natürliche Selbst formuliert werden: 

  • Das natürliche Selbst ist fexibel und kann situationsadäquat agieren und reagieren
  • Wie eine gesunde Mutter das Kind (freilassend) bindet, bindet das Ich das Selbst: Dadurch wird die Rolle, das Selbst, transparent und durchlässig. 
  • Der Körper wird flexibel und euton (vgl. Eutonie)
  • Die intrinsische Steuerung ist stark (Selbstbestimmtheit, Selbstwirksamkeit, Resilienz)

Das offene, gebundene Selbst kann metaphorisch in folgender Geschichte dargestellt werden: 

Ein Mensch, durch den die Sonne scheint 

Ein kleiner Junge kam mit seiner Mutter an einer großen Kirche vorbei. Er schaute an der Kirche hoch und sagte: „Mutti, schau mal, die großen Fenster sind ja ganz schön schmutzig, die sehen ab er gar nicht schön aus.“
Daraufhin ging die Mutter mit ihm in die Kirche. Hier waren die Fenster, die von außen ganz grau und schmutzig aussahen, plötzlich strahlend bunt und leuchteten in den hellsten Farben. Da staunte der Junge, und er schaute sich die Fenster genau an. Über dem Altar war ein auffallend schönes Fenster zu sehen – mit vielen Heiligenfiguren. Und durch eine Figur strahlte gerade die Sonne hindurch, sodass sie besonders hell war. 
„Mama, wer ist das?“, wollte der kleine Junge wissen.
Die Mutter antwortete: „Das ist ein Heiliger, der Heilige Franziskus.“ 
Der Junge merkte sich das gut. 
Ein paar Tage später fragte der Lehrer in der Schule seine Schüler: „Wer von euch kann mir sagen, was ein Heiliger ist?“ 
Da war großes Schweigen in der Klasse. Nur der kleine Junge meldete sich und sagte: „Ich weiß es. Ein Heiliger ist ein Mensch, durch den die Sonne scheint!“ (aus Sinnige-Geschichten)

Beispiele (vor allem auch anschauliche Nicht-Angebundenheit) finden Sie in nachfolgenden Videos:

Übungen können in der Selbstheilung hilfreich sein. Die Achtsamkeit ist hier zentral. 

Kraftvolle Übungen der Selbstachtsamkeit:

Übung 1:

Schliessen Sie die Augen und atmen Sie ein paar Mal tief durch. Gehen Sie nun in die achtsame Wahrnehmung von Ihnen selber, indem Sie einen „Body-Scan“ machen: Wandern Sie mit Ihrer Achtsamkeit durch den Körper und nehmen Sie wahr, wie es sich in Ihrem Körper anfühlt. Wo fühlt es sich gut an, wo weniger? Wo sind Unsicherheiten, Verspannungen oder Schwächen zu spüren.

Übung 2:

Beginnen Sie wie in Übung 1 beschrieben. Sie wissen nun, dass eine Körper-Intelligenz in Ihnen, eine Seite in Ihnen sich bewusst ist, wie Spannungen eigentlich sein sollten: Hier vielleicht mehr, dort vielleicht weniger. Experimentieren Sie mit Ihrem Instinkt, wie es sich im Körper eigentlich anfühlen sollte. Versuchen Sie spielerisch im Körper Veränderungen entstehen zu lassen, indem Sie Muskeln fester anspannen oder mehr lösen. (Vergleiche auch >hier)

Übung 3:

Aufbauend auf die ersten beiden Übungen betrachten Sie sich nun wie von aussen. Wenn Sie diesen Menschen, den Sie betrachten, aus vollem Herzen lieben würden, welche Seiten an diesem Menschen würden ihnen die Liebe erschweren? Wenn sie instinktiv wüssten, wie dieser Mensch sein sollte, wie würde er sich verändern?

Übung 4:

Aufbauend auf den ersten drei Übungen beginnen sie die guten und schwierigen Seiten dieses Menschen, der sie sind, bedingungslos zu lieben: Wie verändert sich dieser Mensch, was geschieht mit ihm? Was verändert sich im Körper?

In verschiedenen Dienstleistungen der Visions Schmiede wie Coaching oder Kursen wird die Anbindung des Selbst als wesentlicher Prozess mit begleitet. Siehe auch Mein-Weg-Seminare.